Erstellt von FOTO HITS-Redaktion
| Kategorien:  Literatur  

Unbekannter Jemen

Reportagen aus einer Staatsruine

Der Jemen ist für ausländische Berichterstatter extrem gefährlich. Daher bekommt die Welt nur etwa Angriffe auf Schifffahrtsrouten mit, die mit dem Namen „Huthi-Rebellen“ verbunden sind. Was innerhalb der Landesgrenzen geschieht, bleibt weitgehend unbekannt. Der Journalistin Asmaa Waguih gelang ein außergewöhnlicher Coup: Zwischen April 2016 und Februar 2022 fotografierte sie überall im Land und führte dort Interviews. Die erstaunlichen Einblicke in den Jemen fasste Waguih nun in einem Buch zusammen.

Der britische Verlag rief in der FOTO HITS-Redaktion an, ob der Bild- und Textband uns eine Rezension wert sei. Die Artikel seien zwar englischsprachig, aber äußerst aufschlussreich. Das kann die Redaktion nur bestätigen: Der Lohn für die englische Lektüre ist ein komplettes Bild, das man so momentan nirgends erhält.

Eine Kugel und eine Kamera

Waguihs Reportagen begannen mit einem Schuss: Für Reuters informierte sie 2013 über den „Arabischen Frühling“ in Kairo. Während der Unruhen traf sie eine Kugel in den Knöchel, aber sie machte weiter. Sie wagte sich im Jemen zur westlichen Hafenstadt Hodeida, hinter der das Huthi-Gebiet beginnt, zur nördlichen Grenze zu Saudi-Arabien, zum südlichen Golf von Aden und in den Osten, den Al-Kaida teilweise für sich beansprucht.

Als Frau bekam Waguih zudem Zugang zu den Frauenbereichen, weswegen ihre Reportagen die wichtigen und unersetzlichen weiblichen Sichtweisen offenbaren. Auch in anderen Bereichen zeigen ihre Fotos ein komplexes Bild des abgeriegelten Jemen: Kindersoldaten, Hunger, Bombardements durch Saudi-Arabische Militärs, Opfer von Katjuscha-Raketenwerfern aus russischer Produktion, Salafisten gegen Huthis gegen Al-Kaida. Eine einfache Lösung und Losung in diesem Chaos scheint dann: Tod Israel, Tod den USA.

Ab 2022 konstatierte Waguih erste Friedensverhandlungen, die von der westlichen Seite fast unbemerkt blieben. Doch seit Oktober 2023, seit dem Hamas-Massaker und dem nachfolgenden Krieg, stocken sie wieder. Waguih fragte einen nicht einmal 16-jährigen Jungen, ob er den Schulunterricht fortsetzen wolle, wenn er von seinen Wunden genesen sei. Er antwortete, dass er den Krieg studieren wolle, um weiterzukämpfen. Das wiederum erinnerte die Journalistin an Omar, einen älteren Militärführer. Er sagte ihr: Wenn der Krieg beendet sei, würde ein noch größerer Konflikt beginnen — ein Rachekrieg zwischen den Stämmen. Der Kämpfe werden also andauern, weswegen die Reportagen umso wichtiger sind.

  • Asmaa Waguih: Unfinished War. A Journey through Civil War in Yemen
  • Helion & Company 2024
  • ISBN 978 1 804515 86 0
  • Preis:  £25 (zirka 30 Euro)
  • Verfügbarkeit: Bestellbar über Buchläden mit engl. Sortiment oder Amazon

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